Landwirt rettet alte DDR-Kaufhalle

Quelle: https://www.nordkurier.de/regional/uckermark/landwirt-rettet-weiterbetrieb-der-einstigen-ddr-kaufhalle-auf-dem-lande-3450679 (31.03.2025)

Einheimische und Wochenend-Uckermärker können endlich aufatmen: Ihr „Konsum“ wird die Türen auch nach dem 1. April weiter geöffnet haben.

Von der Post bis hin zu belegten Brötchen

Das Schild mit diesem Namen prangte schließlich gefühlt auch bis eben noch über dem Eingang. Mittlerweile ist es abmontiert. Es kommt ein neues dran. Was draufsteht, will Heino Tietje noch nicht verraten. Es hatte vergangenes Jahr ein Weilchen gebraucht, bis er sich entschloss, ein Angebot zur Übernahme des Landmarktes abzugeben.

Nein, an der Kasse sitzen wird Heino Tietje nicht. Auch wenn er jetzt bald, zusammen mit seiner Frau, eine Kaufhalle betreibt. Manche nennen den Landmarkt in Potzlow „Konsum“, einige Wochenend-Uckermärker aus der Hauptstadt kaufen bei „Ihre Kette“ ein.

Seit 2013 betreibt er im Dorf die Milchviehanlage. Dass es schräg über die Straße eine Einkaufsmöglichkeit gab, schätzte er von Anfang an. „Wir haben unsere Post hierher gebracht und wenn im Betrieb Versammlungen stattfanden, bestellten wir belegte Brötchen.“ Alles bestens.

Mitte vergangenen Jahres drang dann auch an sein Ohr, dass die Schwestern Anett Henke-Wendland und Astrid Amelang zum Jahresende aufhören wollten. „Schade!“, dachte er damals.

Dann wurde er gefragt, ob er nicht in einer Arbeitsgruppe mitmachen wolle, die nach Perspektiven für den Laden suchte. Er stimmte zu. Also dachte er zusammen mit knapp 20 Mitstreitern nach, welche Möglichkeiten es dafür gibt.

Vom Automatenladen, der 24 Stunden an sieben Tagen in der Woche nutzbar ist, bis hin zur Gründung einer Genossenschaft. Für alles gab es Für und Wider. Für eine mögliche Übernahme fehlte es an einem Geschäftsführer, der sich der Verantwortung stellen würde.

Zunächst Überzeugungsarbeit geleistet

In Heino Tietje reifte die Überlegung, den Markt selbst zu übernehmen. Zunächst musste er Überzeugungsarbeit leisten. Die Begeisterung seiner Frau hielt sich in Grenzen. Heute, das sei vorweggenommen, steht sie hinter dem Gedanken, befürwortet ihn, ist dabei.

Skepsis und Abwägen seien ja auch berechtigt, sagt Tietje, der Landwirt und Milchbauer, der bestimmt nicht behaupten kann, dass er nicht ausgelastet sei. Zumal er in seinem Heimatdorf Seelübbe auch noch Ortsvorsteher ist.

Doch je mehr er sich mit dem ihm bis dato fremden Metier beschäftigte, desto größer wurde sein Interesse. Mittlerweile ist er Mitglied im Bundesverband der Bürger- und Dorfläden. Mit Aline Nötzold, die den Markt ab April leitet, war er sogar nach Bayern gereist, um dort in ähnlichen Läden nach guten Ideen Ausschau zu halten, sich auszutauschen.

Doch das kam erst später. Erst mal unterbreitete er Ende November 2024, sechs Wochen nachdem er der Arbeitsgruppe beigetreten war, sein Übernahme-Angebot. Spricht man mit den Schwestern, so spürt man, dass er ihnen eine riesige Last von den Schultern genommen hat. Denn einfach haben auch sie sich die Entscheidung nicht gemacht. Vor fünf Jahren begannen sie vorsichtig ihre Fühler nach einer Nachfolge auszustrecken.

Kaufhalle wurde 1978 eröffnet

Doch passende Angebote gab es nicht. 2003 hatten sie den Markt von ihrer Mutter übernommen. Sie seien, so erzählen sie, förmlich hinter der Ladentheke groß geworden. Die Mutter leitete die BHG, die Bäuerliche Handelsgenossenschaft, und als 1978 die neue Kaufhalle eröffnet wurde, übernahm der Vater die Leitung. Die Töchter stiegen später mit ein. Ein richtiger Familienbetrieb also.

Die Frage, ob das immer gut funktioniert habe, bejahen sie. „So sind wir erzogen: Wir haben gelernt, uns zu einigen.“ Das war auch wichtig. Das Konzept, das sich im Sortiment widerspiegelt, ist eine Reaktion auf die sehr unterschiedliche Kundschaft, die hier ihre Einkäufe erledigt.

Zur Geschichte der Kaufhalle Potzlow

Am 21.10.1976 erfolgte die Grundsteinlegung für diese, für den ländlichen Raum konzipierte Kaufhalle. Mit Unterstützung der Baubrigade des örtlichen Landwirtschaftsbetriebes konnte das Gebäude im Auftrag der Konsumgenossenschaft Prenzlau erstellt und am 28.04.1978 seiner Bestimmung übergeben werden.

Am Ende der DDR wurde hier zu staatlich festgelegten Preisen eingekauft.

Verkaufsgespräche in der DDR begannen meist mit: „Haben Sie…?“ und endeten oft mit der wenig überraschenden Antwort der Verkäuferin: „Ham‘ wa nich!“

Ernst Henke (1934-2024), der bereits seit 1958 eine Verkaufsstelle des täglichen Bedarfs im eigenen Wohnhaus in Potzlow führte, setzte sich bei der Konsumgenossenschaft für diesen Neubau ein. Nun wurde er der erste Verkaufsstellenleiter. Mit ihm gemeinsam arbeiteten hier bis zum Ende der DDR fünf Frauen aus dem Ort. Von Beginn an versuchte Ernst Henke mit viel Eigeninitiative den Menschen hier vor Ort ein breites Angebot zu bieten. Bis zu 5000kg Obst und Gemüse wurden hier täglich zusätzlich aus umliegenden Privatgärten aufgekauft und im Handel der Bevölkerung wieder angeboten.

Was hier nicht im Sortiment war, gab es im BHG-Laden (Bäuerliche Handelsgenossenschaft), den seit 1978 Ehefrau Elli Henke im Ort führte. Nach der Wiedervereinigung erwarb das Ehepaar Henke die Kaufhalle. Gemeinsam mit den beiden mitarbeitenden Töchtern Astrid und Annett war die gute Versorgung der Landbevölkerung weiterhin ihr Lebensmotto. Die Kaufhalle Potzlow wurde wegen ihres vielfältigen Sortiments weiterhin bekannt und beliebt.



2003 übernahmen die beiden Töchter das Geschäft der Eltern. Mit viel Leidenschaft und Herzblut führten sie diese Kaufhalle gemeinsam mit ihren Mitarbeiterinnen, bis zu ihrem Ruhestand Ende März 2025.

Mit der Übernahme durch den Bauern, Heino Tietje, am 01. April 2025 wird nun ein neues Kapitel für diese Kaufhalle aufgeschlagen.

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